Handwerkstalent und Betriebsinhaber mit 23
Philipp Müller
Von Neele Henkler

Ich bin: Geschäftsführer
Ich bin: Geschäftsführer
Lieber Philipp, du hast mit 21 Jahren den Familienbetrieb in der 10. Generation übernommen. Wie kam es dazu und wie sieht dein Werdegang aus?
Nach meinem Abitur in 2018 habe ich eine Ausbildung als Zimmerer bei der Zimmerei Wiegand in Strothe begonnen und konnte aufgrund meiner allgemeinen Hochschulreife die Ausbildung um ein Jahr verkürzen. Zwischen meiner Ausbildung und meinen beiden Meistern habe ich ein halbes Jahr als Zimmerer im Familienbetrieb gearbeitet. 2022 habe ich dann meinen Zimmermeister und Dachdeckermeister gemacht, da es zwei verwandte Handwerke sind. Am 01.06.2021 habe ich unseren Betrieb zwangsweise übernommen, da mein Vater nach sechs Jahren Krankheit verstorben ist. Dafür musste ich eine Sondergenehmigung bei der Handwerkskammer einholen, die es mir ermöglicht hat, erstmal ohne Meister und nur mit einer abgeschlossenen Ausbildung den Betrieb zu übernehmen. Normalerweise geht dies nicht, da der Meistertitel für die Übernahme eines handwerklichen Betriebes verpflichtend ist. Ich hatte somit den Druck, meinen Meister möglichst schnell zu bestehen, andernfalls hätte ich den Betrieb schließen müssen.
Was macht deinen Betrieb aus und war die Übernahme des Familienunternehmens schon immer dein Ziel?
Als Sägewerk und Zimmerei sind wir auf die Holzbearbeitung spezialisiert. Zu unseren Hauptaufgaben zählen der Bau von Dachstühlen, Gauben, Anbauten und Aufstockungen. Zudem sind wir auch in der Fachwerksanierung tätig. Mein Vater hat mir immer die Entscheidung überlassen, wie ich meinen beruflichen Weg gestalten möchte. Zuerst war es nicht mein Ziel, den Betrieb zu übernehmen. Mit 16 oder 17 Jahren hat sich dies aber geändert, und ich war schnell überzeugt, dass ich auch etwas Handwerkliches machen möchte. Mit mir begann offiziell die 10. Generation unseres Betriebes.
Welche Unternehmensphilosophie verfolgst du als Inhaber?
Mir als Geschäftsführer ist es wichtig, dass meine Mitarbeiter zufrieden sind und dass das Arbeitsklima stimmt. Ich habe mit einem Mitarbeiter angefangen und nun habe ich bereits vier weitere eingestellt. Die meisten kommen aus der Region. Ich habe zudem ein Whiteboard mit Edding in unserem Besprechungsraum aufgestellt, welches meine Mitarbeitenden nutzen können, um Wünsche, Anregungen und Ideen zu notieren. Mit 23 bin ich der Jüngste in unserem Team, mein ältester Mitarbeiter ist über 60. Man muss also immer ein gutes Mittelmaß und Kompromisse finden, damit sich alle verstehen und die Harmonie erhalten bleibt. Zufriedene Mitarbeiter sind ein Garant für gute Arbeit. Nach der Arbeit sitzen wir auch gerne mal zusammen. Das Verhältnis zwischen mir und meinen Mitarbeitern ist somit keinesfalls autoritär oder festgefahren. Ich höre mir immer gerne Vorschläge an und lasse mir auch mal Dinge erklären, denn Erfahrungen kann man durch einen Titel nicht ausgleichen.
Wie sieht dein Alltag mit 23 aus? Bist du schon mal an Grenzen gestoßen und hast du Tipps, diese zu überwinden?
Mein Tag beginnt damit, dass wir uns um 7 Uhr früh in der Firma treffen und den Tagesablauf klären, die Arbeiten einteilen und Zeichnungen und Pläne verteilen. Diese Koordinierungsphase ist wichtig, um sich auszutauschen und wichtige Fragen zu beantworten. Bei größeren Projekten fahre ich mit auf die Baustelle. Die meiste Zeit bin ich aber im Büro, schreibe Angebote und Rechnungen, nehme neue Aufträge an und kümmere mich um unsere Website. Ich mache auch mal Fehler und komme an meine Grenzen. Beispielsweise musste ich mir die Art der Berechnung und die Angebotskalkulation selbst beibringen, da ich keine langjährigen Erfahrungen in diesem Bereich hatte. Die Arbeitsvorbereitung und das Anfertigen der Zeichnungen nehmen oft viel Zeit in Anspruch, weshalb auch die Freizeit darunter leidet. Zudem habe ich als Geschäftsleitung immer den Druck, genug Projekte und Aufträge einzuholen, um meinen Mitarbeitenden den Lebensunterhalt zu sichern. Mir hat es geholfen, dass ich auch mal aktiv nach Hilfe gefragt oder Ältere und Bekannte um Rat gebeten habe. Ich bin bereit gewesen, zu lernen und auch mal das ein oder andere Wochenende aufzugeben. Es ist wichtig, die Bereitschaft zu haben, auch mal an die eigenen Grenzen zu gehen und diese kennenzulernen.
Wie kann man Jugendliche und Kinder konkret für das Handwerk begeistern?
Mit dem Verein „Obernburg Aktiv” habe ich ein Jugendprojekt im Sommer an der Edersee-Schule Herzhausen begleitet. Dort habe ich zusammen mit Kindern im Alter von 13–14 Jahren in der Firma Holz gestrichen, verarbeitet und einen Lagerraum gebaut. Bei dem Projekt konnten die Kinder die verschiedenen Bauphasen miterleben und mit anpacken. Das hat Spaß gemacht, da sie anstelle des gewohnten Schulalltags auch mal etwas Praktisches ausprobieren konnten. So ein junges Projekt kann inspirieren und begeistern, denn man benötigt solch eine Praxiserfahrung, um ein Handwerk zu verstehen und zu erlernen. Die Theorie allein reicht nicht aus. Solche Projekte sollte man bereits in der Grundschule etablieren, damit Kinder schon früh mit handwerklichen Erfahrungen in Kontakt kommen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, mal mit Grundschulkindern ein Bienenhotel zu bauen. Das macht Spaß und fördert die eigenen Kompetenzen.
Was wünschst du dir für die Region in Bezug auf das Handwerk? Wie kann man etwas verändern?
Ich interessiere mich ebenfalls für Politik, weshalb ich mich in der Gemeindevertretung, aber auch als stellvertretender Ortsvorsteher von Marienhagen engagiere. Ich möchte neuen und innovativen Wind in unsere Gemeinde bringen, aber mich auch für handwerkliche Interessen einsetzen. Obwohl das Handwerk momentan eine Blütezeit erlebt, benötigen wir Nachwuchstalente, die unsere Zukunft ausmachen. Deshalb ist es wichtig, dass man handwerkliche Berührungspunkte für Kinder und Jugendliche schafft. Sei es nun in der Schule durch freiwillige AGs oder in den Gemeinden selbst. Zu sehen, was man selbst mit den eigenen Händen schaffen kann, macht stolz und gibt Selbstvertrauen. Ich wünsche mir, dass solche Angebote und Projekte etabliert werden, um handwerkliche Tätigkeiten Jugendlichen näherzubringen. Man sollte auf jeden Fall jetzt damit anfangen, etwas zu verändern.
Auf der Website und dem Instagram-Account der Zimmerei Müller findet Ihr noch mehr Informationen und spannende Einblicke in verschiedene Projekte.

Philipp Müller
Ausgebildet wurde ich als Zimmerer bei der Zimmerei Wiegand in Strothe und als Meister im eigenen Betrieb.
Aktuell arbeite ich als Geschäftsführer, Zimmerer- und Dachdeckermeister.
Meine Heimat ist Marienhagen.
Meine Zuhause ist Marienhagen.
Meine Lieblingsorte in Waldeck-Frankenberg sind der Edersee und der Nationalpark.
Magazin
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oder arbeiten, erzählen von ihren Karrieren.
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