Bedürfnisorientiertes Schwimmen lernen

Lukas Goos

Als Schwimmlehrer und Podcaster befasst sich Lukas Goos in seinem Podcast “Kleine Otter” und in der gleichnamigen Schwimmschule mit dem bedürfnisorientierten Umgang mit Kindern im Sport. Was es bedeutet, bedürfnisorientiert Schwimmen zu lernen und warum es wichtig ist, dass Kinder die Möglichkeit erhalten, eine Sportart auszuprobieren und spielerisch zu erkunden, erzählt er uns im Interview.


Von Neele Henkler

Ich bin: Kursleiter und Ausbilder

Ich bin: Kursleiter und Ausbilder

Lieber Lukas, wie sieht dein Werdegang aus? 

Ich habe mich dazu entschieden, ein Sportstudium in Köln zu beginnen. Nach meinem Auslandssemester in Bordeaux habe ich eine Freundin kennengelernt, die Schwimmen unterrichtet hat. Sie hat mich damals gefragt, ob das nicht auch etwas für mich sei und da habe ich es einfach mal ausprobiert. Aus dieser Entscheidung ist dann ganz viel entstanden: der Podcast, die eigene Schwimmschule und eine Dissertation, die ich sehr gerne bald fertigstellen möchte. 

 

Wie bist du Schwimmlehrer geworden? Welche Ziele und Motivationen verfolgst du? 

Zu der Frage, wie man Schwimmlehrer wird, kann ich nur eine unbefriedigende Antwort geben. Da man meines Wissens nach keine Qualifikationen benötigt, um Schwimmen zu unterrichten, kann jeder Schwimmlehrer oder -lehrerin werden. Es ist keine Ausbildung oder ein bestimmtes Zertifikat nötig. Ab einer bestimmten Beckengröße benötigt man lediglich einen Schwimm- oder Bademeister und jemanden von der DLRG. Das gibt mir als Schwimmlehrer viele Freiheiten: Ich kann eine Philosophie durchsetzen, die ich gut finde und bin nicht an bestimmte Abzeichen wie das Seepferdchen gebunden. Bei uns gibt es zum Beispiel das Otter-Abzeichen. Mir ist es wichtig, so viele Menschen wie möglich in meinem Umfeld positiv zu beeinflussen und da gehören vor allem Kinder zu. Kinder haben keine Lobby, egal ob im Schul- oder Kita-System oder bei Ferienangeboten – in Deutschland gibt es wenige Räume für Kinder, wo sie wirklich Kind sein können und dürfen. 

 

Wie ist dein Team aufgebaut und wie gestaltet ihr den Schwimmunterricht?

Zu meinem Team gehören sechs weitere Mitarbeiterinnen. Ich habe Janika, Julia, Lucia, Regina, Celine und Lotti angeleitet und mit meiner Kurs-Philosophie ausgebildet. Das Wort “Chef” mag ich nicht. Ich sehe mich selbst als Kursleiter und Ausbilder der anderen Schwimmlehrer*innen. Meine Mitarbeiterinnen sind neben ihrer Tätigkeit als Schwimmlehrkräfte zusätzlich noch für Aufgaben, wie die Kursorganisation und -administration oder Social Media, zuständig. Die sechs sind für mich sehr wichtig und ein essentieller Bestandteil der Schwimmschule.

Außerdem gebe ich den Schwimmlehrerinnen keine Stundenverlaufspläne vor. Sie bekommen lediglich die Vorgabe, dass sie sich beispielsweise mit einer Schwimmnudel und der Grundfertigkeit “Auftrieb erfahren” ein Spiel überlegen sollen. Sie sollen Spaß daran haben, den Kindern das Schwimmen zu vermitteln. Bei uns gibt es auch immer am Anfang der Stunde eine Spielzeit. So können die Kinder eigenständig das Becken erkunden und mit ihren Spielsachen spielen. Denn eine Schwimmstunde angepasst an die Bedürfnisse des Kindes ist nachweislich der beste und nachhaltigste Weg, den Kindern das Schwimmen beizubringen.

 

Was bedeutet es, bedürfnisorientiert schwimmen zu lernen?

In unserer Schwimmschule orientieren wir uns an den Grundbedürfnissen der Kinder. Das heißt, dass die Kinder zu jeder Zeit autonom und in Sicherheit sind und sich gleichzeitig zugehörig fühlen und selbst verwirklichen können. Außerdem lehren wir die Grundfertigkeiten des Schwimmens, wozu das Springen im und ins Wasser, Atmen im und am Wasser, Tauchen und Orientieren unter Wasser, Auftrieb erfahren, Gleiten, Fortbewegung, Steuern und der Lagewechsel gehören. Für das bedürfnisorientierte Schwimmen ist es besonders wichtig, dass die Kinder ein Vertrauen zu den Schwimmlehrkräften aufbauen. Das schaffen wir nur, wenn die Kinder sich sicher und verstanden fühlen.

Da Kinder individuelle Menschen sind, entwickeln sich manche schneller, manche langsamer. Deshalb gibt es bei uns den wichtigen Satz: “Du musst bei mir nichts machen, was du nicht möchtest.“ Ein weiterer essentieller Bestandteil der Schwimmstunde ist die Subjektivierung des Kindes. Das heißt, dass wir weder bestrafen noch belohnen. Die Kinder dürfen so sein, wie sie sind, denn so sind sie genau richtig. Wenn alle Grundbedürfnisse befriedigt sind, entwickelt sich auch das Schwimmen von ganz allein. 

 

Welche Ziele und Motivationen verfolgst du mit deinem Podcast “Kleine Otter”? Was sollten Zuhörer*innen aus diesem mitnehmen?

Die Schwimmschule ist nur entstanden, weil ich zuvor den Podcast “Kleine Otter” geführt habe, der während des ersten Lockdowns auf einem Spaziergang mit einem Freund entstanden ist. Zuerst sollte der Podcast nur das Schwimmen behandeln, da mir aufgefallen ist, dass Eltern beim Schwimmen oft “dumme Fragen” gestellt haben und sehr fokussiert darauf waren, dass das Kind möglichst schnell das Seepferdchen macht. Die Fragen kommen oft daher, da sie nicht auf das Kind und dessen Bedürfnisse hören. Deshalb ist der Umgang mit Kindern im Sport zum allgemeinen Thema des Podcasts geworden, worüber ich mit Expert*innen aus allen Sportbereichen spreche. Es ist spannend zu sehen, dass alle, egal aus welchem Bereich, das Gleiche sagen: “Lasst die Kinder Kinder sein und vertraut ihnen.“ Kinder sollten viel mehr spielen und ausprobieren dürfen. Ich persönlich halte nicht viel von dem Spruch „Übung macht den Meister”, denn eigentlich macht Spielen den Meister! Eine Studie der Heidelberger Ballschule hat ebenfalls herausgefunden, dass Kinder, wenn sie sich frei entfalten und sich ihrer Kreativität und dem Spaß hingeben dürfen, langfristig gesehen kreativere Spieler sind.

Deshalb wünsche ich mir vom Podcast, dass Eltern mehr auf ihr Kind hören und dessen Bedürfnisse wahrnehmen. Kinder sollten ganz viel ausprobieren, erkunden und spielen dürfen – am besten in einem Raum, der nicht eingeschränkt, sondern sicher, sinnvoll und mit Spaß gestaltet ist. 

 

Warum hast du dich dazu entschieden, den Schwimmkurs hier im Landkreis umzusetzen? Was bedeutet Heimat für dich?

In Köln ist mir aufgefallen, dass ich alles, was ich gerne mache, auch hier im Landkreis in einer besseren Qualität verwirklichen kann. Hier muss ich weniger Miete bezahlen und habe mehr Zeit für meine Interessen, meine Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit. Es gibt viele Bereiche, wie Musik und Sport, auf die ich mich jetzt wieder mehr konzentrieren kann. 

Heimat bedeutet für mich, dass alle meine Grundbedürfnisse hier am besten befriedigt sind und ich hier am meisten der Mensch sein kann, der ich sein möchte. 

Lukas Goos

Jahrgang 1991
Studiert habe ich an der Deutschen Sporthochschule Köln (2 Bachelor und 1 Master).
Aktuell arbeite ich in der Schwimmschule als Kursleiter und Ausbilder der anderen Schwimmlehrkräfte und als Referendar in Wolfhagen an der Walter Lübcke Schule.
Meine Heimat ist Korbach.
Meine Zuhause ist da, wo meine Familie ist.
Meine Lieblingsort in Waldeck-Frankenberg ist der Waldecker Berg hinter der Finnenbahn mit Aussicht auf Meineringhausen.
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Interviews, Wissen und Erfahrungen:
Menschen, die in Waldeck-Frankenberg leben
oder arbeiten, erzählen von ihren Karrieren.